Das Balu-Prinzip

Ist Euch auch schon mal aufgefallen, wie arbeitsam „die Szene“ doch ist? Regelmäßig wird von innerer, spiritueller, energetischer, therapeutischer, magischer … ARBEIT gesprochen: Lichtarbeit, Schattenarbeit, Beziehungsarbeit, Karma-Arbeit, systemische Arbeit, Arbeit am morphischen Feld, Arbeit an sich selbst, Arbeit mit Unterstützung der Engel, Ahnen oder Krafttiere, diverse Heil-, Traum- und Ritualarbeiten, … Uff. Arbeit, wohin man blickt. Als fauler Genußbär fühl ich mich da schnell mal erdrückt von einem Pensum, das mir schier unbewältigbar erscheint oder bekomm ein schlechtes Gewissen, wenn‘s mir gut geht. Es steht doch noch so viel an, das bearbeitet werden müßte! Oder etwa nicht?

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Je näher ich mir die historischen Umstände ansehe, in denen diverse esoterische Traditionen entstanden sind oder maßgeblich weiterentwickelt wurden, desto deutlicher fällt mir ein gemeinsamer Nenner auf, den sie alle aufzuweisen scheinen: Eine tief verinnerlichte Überzeugung, die besagt, daß alles, was außergewöhnlich ist und einem gut tut, schwer verdient sein muß. Und das begünstigt eine Tendenz, die Wertigkeit von Erfahrungen, Projekten, Dingen etc. daran zu messen, wie sehr wir dafür gekämpft, gelitten und geblutet haben.

So sehr diese Tendenz unzweifelhaft dazu imstande ist, uns zu herausragenden Leistungen zu motivieren, birgt sie meiner Meinung nach auch eine Gefahr in sich – nämlich, daß wir ob der Freude über verdiente Anerkennung vergessen können, daß es noch mehr gibt: unverdiente, bedingungslose Liebe. Viel zu häufig erlebe ich in Coachinggesprächen, wie schwer es vielen Menschen fällt, Positives einfach mal annehmen zu können, ohne etwas dafür geleistet zu haben – seien es simple Komplimente, unerwartete Geschenke, Einladungen, spontane Zuneigung oder Phasen im Leben, in denen es ohne große Schwierigkeiten erstaunlich gut läuft. Viel zu viele Menschen gehen davon aus, daß sie so etwas nicht verdient hätten oder es nicht wert seien; zumindest nicht von vornherein und jedenfalls selten, ohne die wundervollen Dinge, die ihnen zufallen, mit früheren oder erwarteten zukünftigen negativen Erfahrungen quasi zu rechtfertigen … und all das nur, um einem Glaubenssatz gerecht zu werden, der besagt, daß uns das Universum nicht liebend gern ständig reichlich beschenken würde.

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Und so kommen dann entsprechende Standardsätze zustande wie „Ich mach’s mir doch wirklich nicht einfach! [… und erwarte mir jetzt Lob dafür, weil ich alles verkompliziere]“, „Niemand hat gesagt, daß der spirituelle Weg leicht ist! [Merkt ihr auch, wie sehr ich leide?!]“ oder „Die Erleuchtung kann nur durch eiserne Disziplin erworben werden! [Eigentlich geile ich mich daran auf, wie hart und masochistisch ich mit meinem Ego kämpfe.]“ Ich geh davon aus, daß solche Denkweisen unbewußt zusätzlich noch durch alte religiöse Vorstellungen unterstützt werden, die besagen, daß man „Versuchungen“ widerstehen und Mühsal erdulden müsse.

Ich hab mir immer schwer getan mit solchen Auffassungen. So sehr ich die Aufopferungsfähigkeit von Menschen durchaus anerkennen kann, die Jahre unerbittlichen Trainings für etwas aufwenden, wollte es mir nie so recht einleuchten, weshalb ich für meine Entwicklung besondere Disziplin oder Askese benötigen sollte. Dem zu folgen, was mir wirklich entspricht, müßte doch immer der leichteste und, ja, letztlich angenehmste Weg sein. Auch ein Fluß findet doch seinen natürlichen Lauf, indem er sich ganz selbstverständlich nach den unkompliziertesten Gegebenheiten richtet, und ein Baum wächst anmutig um scheinbare Behinderungen herum. Oder wie es mein Kampfkunstlehrer vermutlich ausdrücken würde: „Sobald du Widerstand leistest oder dich anstrengst, fällst du aus der Balance und verlierst.“

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Ich frage mich, welche Auswirkungen es auf eine Gesellschaft hätte, in der sich eine ausreichend große kritische Masse voll und ganz dessen bewußt ist, daß ein spielerisches Sich-Aneignen jeglicher Prinzipien, Sachverhalte und Zusammenhänge bei weitem effizienter, zielführender und nachhaltiger ist als eines, das auf Druck, Zwang und Anstrengung aufbaut. Und welche Implikationen dieses Bewußtsein für den spirituellen Ausdruck der Menschen hätte.

Vielleicht müßten wir dann unsere Baustellen nicht mehr „bearbeiten“, oder uns „bemühen“, irgendwelche ungeliebten Schattenseiten zu überwinden, sondern könnten leichten Herzens „mit neuen Sichtweisen spielen“, unserem Potential „erlauben, sich zu entfalten“; vielleicht müßten wir dann auftauchende Hindernisse nicht mehr als lähmende Blockaden ansehen, die es „abzuschaffen“ gilt, sondern als herausfordernde und grundsätzlich wohlwollende Rätsel, deren Lösung in einer freundlichen, geduldigen und humorvollen Herangehensweise liegt. – Ich denke, Meister Balu würde das gefallen.

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