Kornkreise und die Wahrnehmung des Geheimnisvollen

Ja, es ist das Jahr 2012.

Ja, ich war vor ein paar Tagen in Wiltshire und habe mich in Kornkreisen aufgehalten.

Nein, es hat sich kein Vertreter der Universellen Weißen Bruderschaft, kein Engel, kein Aufgestiegener Meister, kein Geheimdienstler, kein Mittelsmann des Kosmischen Rats der Zwölf gezeigt.

Und soll ich Euch was sagen? Es war auch ohne solch einen Kontakt eine wunderschöne, bereichernde Erfahrung. Markus (ein Freund, mit dem ich unterwegs war) und ich haben zwei Kunststudentinnen aus Paris getroffen und in unserem Auto mitgenommen, uns über unsere Eindrücke in den Kornkreisen ausgetauscht und ihren Erlebnissen vom Vorjahr – inklusive UFO-Sichtungen – gelauscht. Und jeder einzelne Kornkreis hielt ein spezifisches Geschehen für mich bereit. In diesen Crop Circles waren wir drin (Klick für jeweilige Quelle):

Als ich im ersten lag, hatte ich das Gefühl, regelrecht in die Erde hinein gesaugt zu werden und fühlte mich entsprechend „geerdet“ … gleichzeitig hatte ich aber den Eindruck, dem Himmel sehr nahe zu sein. Als ich die Augen öffnete, war es, als würde ich in ihn hineinfallen. Direkt über mir kreisten drei Falken.

Im zweiten meinte ich, das Rauschen der Brandung zu hören und fühlte mich wie von Wellen getragen. Ein bißchen war ich wie der Tropfen, der sich im Ozean auflöst. Hier hätte ich Stunden verbringen können!

Der dritte war auf eine bestimmte Weise „spacig“, wenn auch nur relativ schwach wahrnehmbar. Vielleicht lag es daran, daß er schon recht alt war. Zwar wollte ich mich vom optischen Eindruck nicht täuschen lassen, aber es wirkte schon so, als ob er irgendwie „ausgeraucht“ wäre.

Der zentrale Kreis des vierten bewirkte eine augenblickliche Fokussierung, Wachheit und Aufmerksamkeitssteigerung, obwohl ich schon ziemlich müde war. Entgegen unserer Erwartungen hielten wir uns recht lange hier auf.

In den Tagen seither denke ich unwillkürlich immer wieder an so manche Esoteriker und Hellsichtige, die mir im Lauf der Jahre untergekommen sind: Ich kann sie mir bildhaft vorstellen, wie sie in diesen Kornkreisen sitzen und das, was sie dort erleben, suggestiv und mit äußerster Vehemenz vertreten oder anderen geradezu aufdrängen. (Was ich von solchen Verhaltensweisen halte, habe ich auf diesem Blog ja schon mal beschrieben: Fallstricke des Filters.) Mein Eindruck geht meistens dahin, daß diese Zeitgenossen im Grunde genommen sehr unsicher sind und dies kompensieren, indem sie andere dazu bringen, ihnen zuzustimmen.

Eine andere Möglichkeit, die eigene Souveränität zu leugnen, scheint mir folgende zu sein: Einige Menschen meinen offenbar, daß ein Besuch an mysteriösen Orten oder die Begegnung mit etwas Übernatürlichem vor allem dann etwas wert wäre, wenn er durch die Episode eines Kontakts mit einem der zu Beginn dieses Artikels genannten oder einer anderen vermeintlichen Koryphäe sozusagen „aufgewertet“ wird. Ist es, weil man eine Autorität möchte, auf die man sich dann berufen kann? Oder weil das eigene Erleben einen achtbareren Anstrich erhält, wenn man jemanden zitieren kann? Oder weil es jemanden gibt, der einem klar erläutert, was man gerade erlebt hat (was für mich nur noch einen kleinen Schritt entfernt ist von Guru-Hörigkeit)? Versteht mich nicht falsch, ich finde es ja auch super, wenn ich eine Bestätigung bekomme – das heißt aber nicht, daß ich meinen Eindrücken ohne eine nicht vertraue. Und ich laß mich auch immer gerne eines Besseren belehren. Doch im Zweifelsfall vertraue ich auf diesem Gebiet meiner eigenen Intuition mehr als den Zusicherungen irgendwelcher „Experten“.

Zwischen diesen beiden Extremen – „die eigene Wahrnehmung generalisieren und zur Wahrheit für alle erklären“ und „sich die Wahrnehmung von jemand anderem aneignen und zur Wahrheit für alle erklären“ – gibt es aber noch etwas … ich beschreibe es mit dem Stehenlassen-Können von Rätseln und Paradoxa, mit dem unvoreingenommenen individuellen Erfahren des Numinosen. Gerade Kornkreise sind ein wundervolles Beispiel dafür.

Aus diesem Grund ist es mir auch gar nicht so wichtig, wodurch diese großartigen Kunstwerke entstehen. Ich kann mir, abgesehen von den Hoaxes, viele Urheberschaften vorstellen:

  • Außerirdische Wesen
  • Innerirdische Wesen
  • Transdimensionale Wesen
  • Gaia
  • Elfen
  • Geister
  • Drachen
  • Kanajesey
  • Geheime Militärtechnologie
  • Unser kollektives Unbewußtes
  • Magische Rituale und alte Götter
  • Auswirkungen der zunehmenden Annäherung paralleler Welten

… und natürlich Kombinationen davon. Und ich bin mir sicher, mein Drehbuchhirn käme auf noch viele weitere abgefahrene Ideen. – Was „wirklich“ dahinter steckt? Keine Ahnung! Cool, oder?

Muß keinem was beweisen: Michael Glickman

Einer der sympathischsten Kornkreisforscher, Michael Glickman, spricht mir da aus der Seele. In seinem amüsanten Buch mit dem wunderbaren Titel Cornography. The New Swirled Order, das ich in Avebury erstanden habe, beschreibt er die Haltung eines bestimmten Typs von „Croppie“, die mir nicht nur im Zusammenhang mit diesem Phänomen, sondern auch generell wünschenswert in der spirituellen Szene erscheint (S. 147f., sinngemäße Übersetzung von mir): Dieser Typ ist sowohl verblüfft als auch erfreut über die Kornkreise; er klammert sich an keine fixe Idee darüber, woher sie kommen, wer sie verursacht oder was sie bedeuten. Er fährt fort, darüber zu spekulieren und hat viel Freude an Ideen und Vermutungen, während andere ihre haltlosen Gewißheiten, unvermeidlich ununterstützten wie ununterstützbaren „Lösungen“, „Erklärungen“ oder einförmigen Prozentangaben hinausposaunen. Er ist mit der Erfahrung des unbeschreiblich Unbekannten, mit Annahmen und Hypothesen zufrieden, fühlt sich schlicht und einfach behaglich mit der Reise, obwohl es fraglich bleibt, wohin sie führt. Er hat seit langem sein verzweifeltes Verlangen nach Erklärungen oder Kategorisierungen verloren. Er betrachtet Kornkreise als Portale zu Entwicklung und Entfaltung, ist freundlich und optimistisch. Er ist ehrlich und immer bereit dazu, seine Meinungen, Arbeiten und Forschungen zu teilen. Er findet das Mysteriöse und Unerklärliche verführerisch, und es ängstigt ihn nicht. Cornography ist übrigens allen Freunden und Kollegen in der Kornkreis-Szene gewidmet, „die den Mut und den Anstand haben, zuzugeben, daß sie‘s einfach nicht wissen“.

Vielleicht ist auch hier, wie so oft, die Frage wichtiger als die Antwort: Wie gehen wir mit dem Geheimnisvollen um?


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